Daniel Kohlmeigner über Ableton Live, Erweckungserlebnisse und Geschmacksaromen unterschiedlichster Art

Im Gespräch mit Günther Wildner


Günther Wildner:
Seit September 2019 bist du der erste österreichische „Ableton Certified Trainer“, zertifizierter Lehrer der Musik-Produktions-Software „Ableton Live“, die du auch im ipop-Unterricht verwendest. Was leistet diese Software, was ist der Mehrwert für Musikschaffende und Produzenten?

Daniel Kohlmeigner:Ich denke, dass diese Software deshalb so beliebt ist, weil sie uns einen niederschwelligen Zugang zu den modernen digitalen Möglichkeiten gibt. Das Programm ist mehr auf die kreative Arbeit als die technische Umsetzung fokussiert und versteht sich mehr als Instrument und weniger als Tool. Gleichzeitig spannt es den Bogen von der Jam-Session zur Live-Performance und zur Studio-Produktion und deckt all diese Bereiche wirklich gut ab.

GW: Wie wurdest du „Ableton Certified Trainer“?
DK: Es gab hier einen fordernden und langwierigen Bewerbungsprozess, der in der dritten Runde bei einer mehrtägigen Präsentation der letzten fünf Kandidaten in Berlin abgeschlossen wurde. Zwischendurch dachte ich mir schon, die wären irre, obendrein zahlt man ja auch noch was dafür. Aber am Ende habe ich didaktisch und inhaltlich viel dabei gelernt und arbeite mittlerweile eng mit Ableton zusammen, die viel Arbeit in den Bildungsbereich stecken.

GW: In welcher Form setzt du „Ableton Live“ im Unterricht ein? Wie ist das Feedback der Studierenden?
DK: Ich versuche, den Studierenden innerhalb eines Semesters beizubringen, wie sie selbst elektronische Musik produzieren und auch die Brücke zu ihren Instrumenten schlagen können. Es geht mir vorrangig darum, ihnen die Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie ihre Musik durch diese Mittel noch interessanter gestalten können. Darum arbeiten sie im Unterricht selbständig auf ihren eigenen Geräten, die sie genauso zuhause verwenden können, wo sie ja auch damit üben sollen. Oft wirft es technische Herausforderungen auf, aber die können wir immer überwinden, und auch das ist ein wichtiger Prozess. Das Lernen findet auf vielen Ebenen statt. Es geht um das Hören, das Komponieren, das Arrangieren, das Zusammenbauen, das Dekonstruieren, das Mischen und um ein paar physikalische Basics. Die Art und Weise wie man in der Software arbeitet, kann an ganz vielen verschiedenen Ecken neue Optionen aufzeigen, da haben die Studierenden zum Glück alle ihre eigenen und ganz unterschiedlichen Erweckungserlebnisse. Ich spüre jedenfalls dass sie sich wünschen würden, diese Thematik noch intensiver und ausführlicher studieren zu können. Weil ihnen klar ist, dass sie das alle irgendwann brauchen werden.

GW: Welche Geräte bzw. welche anderen Programme führen zu einem schnellen und professionellen Ergebnis im Recording Bereich?
DK: Das kommt ganz darauf an, was man machen möchte. Im Prinzip braucht man nur eine externe Soundkarte, die man üblicherweise per USB mit dem Computer verbindet, um aufnehmen zu können, ein Mikrofon und dazu halbwegs passable Kopfhörer. Mit diesen wenigen Mitteln kann man sehr kreativ arbeiten und auch professionelle Ergebnisse abliefern, wenn man weiß, was man tut. Andererseits gibt es wunderbare, große Studios, wo man unnachahmlich schöne Aufnahmen machen kann, wo jemand sitzt, der gut mit Pro Tools umgehen kann und für den Ableton Live oder Software-Synthesizer völlig uninteressant sind. Ich finde es gut, dass es hier noch immer eine Spezialisierung gibt und hoffe, dass noch lange nicht der alles-könnende Laptop-Wunderwuzzi regiert, der auf Anfrage bedingungslos, schnell, gut und billig arbeitet. Denn das führt zwangsläufig zu einer Entwertung unserer Kunst.

GW: Welche Entwicklung siehst du für den Bereich Recording/Studio und die entsprechende Software?
DK: Einerseits haben wir jetzt die Digital Natives am Vormarsch, für sie waren komplizierte Computerspiele schon immer eine Selbstverständlichkeit und die Möglichkeiten moderner Musikbearbeitung beeindrucken sie nur wenig. Andererseits haben wir eine Entwicklung, wo die Bedienung komplexer digitaler Instrumente immer einfacher wird, die künstliche Intelligenz Einzug nimmt und den Eindruck vermittelt, es wäre sehr einfach, gute Musik zu machen oder Musik gut klingen zu lassen. Tatsächlich stellt das aber auch eine Hürde dar, denn diese sofortige Belohnung, die wir mit moderner Software bekommen, bedingt umso mehr einen intensiven Forscherdrang, um den Prozessen dahinter auf die Schliche zu kommen, denn sonst habe ich bei der Anwendung nichts gelernt, sondern nur ein gutes Ergebnis produziert. Und wenn es dann beim nächsten Mal nicht so gut funktioniert, bin ich hilflos. Selbstermächtigung ist hier das Stichwort, und ich hoffe, dass sich die nächsten Generationen die elektronischen Werkzeuge weiterhin Untertan machen, sich gerne von ihnen inspirieren, aber niemals lenken lassen. Sonst wird’s schnell fad, und wir haben nur mehr Algorithmus-Musik. Und die wird mindestens so geil schmecken wie Erdbeer-Joghurt mit natürlichen Geschmacksaromen.

GW: Was wäre denn zum Abschluss dein Wunsch für die Zukunft von Musik, Elektronik und Software?
DK: Dass weiterhin möglichst viel großartige Musik mit der Verschränkung all dieser Mittel produziert wird. Früher war es die Gitarre, die keinen Strom benötigen darf, später dann der Laptop, der nichts auf der Bühne verloren hat und morgen die KI-Software, die keine Musik machen sollte (sondern lieber synthetisches Joghurt). Wir werden uns immer wieder an neue Dinge gewöhnen müssen, begegnen wir ihnen bitte wohlgesonnen aber auch kritisch, nutzen wir ihre Vorteile, haben wir Spaß damit und bleiben wir neugierig auf das, was wir noch nicht wissen. Betrachten wir die Musiktechnologie doch einfach als neue Mitspielerin, die sich mit offenen Ohren in unsere Session setzt.

 

Daniel Kohlmeigner

Geboren 1981 in Oberösterreich, lebt und arbeitet seit 2000 in Wien. Neben Tätigkeiten als Produzent, Kurator oder Sound Designer hat er mit seinem Duo „Ogris Debris“ die Bühnen der Welt bereist und ihre Veröffentlichungen laufen seit 2010 auf Radiostationen in ganz Europa. Seit 2017 ist die Lehrtätigkeit eine weitere Leidenschaft geworden, und der direkte Austausch seiner Erfahrung aus der Praxis des Studios und der Bühne macht ihm und den Studierenden großen Spaß.

Tonträger-Veröffentlichungen auf Labels wie Affine Records (A), Nervous (USA), Compost (DE) oder Kitsuné (FR). Remixes für Falco (Sony), Joseph Haydn (Deutsche Grammophon), Dorian Concept (Affine Records), Richard Dorfmeister (!K7) und Zara McFarlane (Gilles Petersons Brownswood Recordings)

 

 

Fotos: Pamela Russmann & Andreas Waldschütz
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